III 92.3
Wir sind wieder an dem Punkt angelangt, an dem es von der unrichtigen Auffassung vom Sinn und Zweck des Lebens zur Behinderung oder Krankheit der Seele kommt.
Ein Mensch, der den Verlust eines geliebten Freundes oder Gatten betrauert und sich nun mit Vorwürfen quält, sein Verhalten dem Verstorbenen gegenüber sei unrichtig, oft selbstsüchtig oder unfreundlich, ohne nötige Beachtung oder gar ohne die ihm gebührende Liebe gewesen, bedrückt seine Seele damit in einem Masse, das dazu führen kann, dass seine Organe ihren Dienst nicht normal tun. Der Schlaf weicht und statt in Ruhe Kräfte zu sammeln, irren die Gedanken zurück in die Vergangenheit, so dass sie nur Unruhe und Missstimmung hervorbringen. Das tägliche Leben bringt neue Sorgen und Belastungen und die Kräfte des Körpers und des Gehirns, um nicht zu sagen des Geistes, nehmen ständig ab.
Es mag wohl richtig sein, dass der Mensch, der solcherart sich grämt, in der Vergangenheit Fehler gemacht hat und Irrtümern verfallen war. Sich aber in die Vergangenheit zurückzuversetzen, ohne ungeschehen machen zu können, was nun einmal geschehen war, ist nicht richtig und bringt keinen Fortschritt. Hier ist die richtige Auffassung vom Leben und Sterben der einzig richtige Weg zur Genesung.
III 213.5
Anders bei einem Menschen, der glaubt, aus irgendeinem Grund, oft ganz unbewusst, sich selbst belügen zu müssen. Er wird es dem Arzt nicht leicht machen, die Ursachen zu finden und die Wirkungen richtig zu beurteilen. Mancher wird ein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass er eine Aufgabe, die er sich vorgenommen habe, nicht erfüllen könne; in Wirklichkeit ist es aber gerade diese Aufgabe, die er fliehen will und vor der er zurückschreckt, weil er sich ihr nicht gewachsen sieht. Die Krankheit ist dann die beste Ausrede, denn er hat sie nicht selbst verursacht und ist für sein Versagen gerechtfertigt.
III 214.2f
Ich kann hier nicht ein Allheilmittel für solche Leiden verraten. Es ist nicht mit Medikamenten in seinen Ursachen zu bekämpfen. Medikamente können gleichzeitig mit der Erforschung der Ursachen als Beruhigungsmittel soweit verabreicht werden, dass zwar Schmerzen behoben, nicht aber die geistige Tätigkeit behindert und eingeschränkt wird. Auf diese muss Einfluss genommen werden. Der Patient muss langsam lernen, von seiner Krankheit oder dem vermeintlich krankhaften Zustand wegzudenken. Ablenkung durch gute Lektüre, leichte Arbeit und wenn möglich Spaziergänge in frischer Luft sind die besten Methoden, um einen Menschen ins normale Leben zurückzuführen. Die Kräfte nehmen zu, der Wunsch nach Arbeit und Leistung wird von Tag zu Tag grösser. Nicht aber von Betäubungsmitteln und übertriebener Ruhe. Fällt auch anfänglich die Einschaltung ins normale Leben schwer, so wird der kleinste Erfolg einen Auftrieb geben und den Lebenswillen mobilisieren, so dass es keiner grossen Anstrengung bedarf, das Überstandene zu vergessen. Mit Güte und Liebe und menschlichem Verstehen, Verzeihen für alle Schwächen und Verfehlungen, die oft die Ursache dafür sind, dass der Mensch den Ausweg in eine Krankheit sucht, die in keinem Zusammenhang mit diesen steht.
VI 72.4f
Wir finden oft noch ein anderes Motiv. Der Mensch erkennt, dass seine Umgebung machtlos den Dingen gegenübersteht; es wird ihm mit grosser Vorsicht, mit Mitleid, mit Nachgiebigkeit begegnet, und es entsteht in ihm ein Gefühl der Überlegenheit. Da er in anderer Weise seine Umgebung nicht beherrschen kann, tut er es mit seinen Schwächen, seinen Depressionen und seinem Unvermögen in irgendeiner Richtung. Das geschieht wohl sicher nicht immer mit bewusster Absicht, es ist einfach die Reaktion oder die Opposition gegen den Zwang durch die fremden Wesen. Man will der Stärkere sein und wendet seine Kräfte gegen das Sichtbare oder auch Greifbare der Umgebung.
VI 104.4ff
Der solcherart belastete Mensch ist vor allem gehemmt, seine Gedanken und Gefühle zum Ausdruck zu bringen und verschliesst sich seiner Umgebung mehr und mehr. Dazu kommt, dass eine so gesteigerte Passivität, ein so übersteigertes Unvermögen meist zur Flucht vor dem realen Leben führt und Angst vor Versagen lähmend auf den ganzen Organismus wirkt. Die Folge davon das Sichverkriechen, die Flucht in die Krankheit.
Oft findet man bei Menschen, die sich schwerkrank fühlen und das Bett nicht verlassen zu können glauben, nicht den geringsten Anhaltspunkt für ein organisches Leiden. Grosse Vorsicht ist in einem solchen Fall geboten, wenngleich es keine Gefahr bedeutet anzunehmen, dass fremde Kräfte die Harmonie zwischen Seele, Geist und Körper stören.
Wir haben schon festgehalten, dass verschiedene Ursachen dafür vorliegen können. Vom Menschen selbst erzeugte Furcht vor dem Versagen im täglichen Leben, Überforderung durch die Umgebung, Misserfolg oder Unmöglichkeit, ein gesetztes Ziel zu erreichen, Mutlosigkeit usw. Alle diese im Menschen selbst erzeugten Ursachen führen zur Resignation, zum Verzicht auf Fortsetzung eines gewählten Weges und sind behebbar durch aufklärende, verständnisvolle Betreuung.
Anders, wenn angenommen werden muss, dass fremde Kräfte den Willen, den Verstand oder das Gefühlsleben eines Menschen beherrschen. Mit Vernunft oder noch so gut gemeinten Vorhaltungen wird da kaum etwas erreicht werden, es gilt allein den Kampf gegen die störenden Kräfte zu mobilisieren. Freilich gelingt dies meist nur gemeinsam mit oder durch den Betroffenen selbst, den man behutsam zum Erkennen der Lage bringen muss. Dies um so mehr, wenn solche Kräfte in dem Opfer das Gefühl haben aufkommen lassen, dass es in seinen Schwächen, in seinem Unvermögen zum Beherrscher seiner Umgebung wird. Ihr könnt meist die Erklärung für die Zusammenhänge nicht finden und ich rate deshalb, sucht nicht nach der Ursache oder dem Verursacher, es ist der Zustand des Leidenden oft nicht gegen ihn selbst gerichtet, sondern in vielen Fällen als Störung gegen Personen der Umgebung zu verstehen.
Darum behandelt keinen belasteten Menschen als ein negativ entwickeltes Wesen, sondern setzt alle Nächstenliebe und Fürsorge, deren ihr fähig seid ein, um ihn dazu zu veranlassen, den Kampf gegen die Unbill aufzunehmen.
V 105.2ff
Langsam muss auch in der medizinischen Wissenschaft das Programm - möchte ich sagen - geändert werden. Die Lebensbedingungen sind andere geworden, die Einstellung der Menschen, ihre Lebensauffassung, ihr Weltbild sind in einer Weise verändert und finden die wenigsten noch den Boden unter den Füssen, um ihr irdisches Dasein richtig zu meistern.
Die Flucht in die Krankheit wird zum einzigen Ausweg aus der unerträglichen Lage, der Sinn und Zweck des irdischen Daseins wird missverstanden und verneint.
Es wird also oberstes Gebot für die medizinische Wissenschaft sein, ihre Forschung auch in dieser Richtung zu intensivieren.
Wenn dann die Überzeugung oder wenigstens der Glaube an die Existenz fremder geistiger Kräfte gefunden wird - und das ist unfehlbar die Folge einer guten Befassung mit den Fragen, die damit zusammenhängen -, dann wird eine ärztliche Behandlung auf anderen, neuen Grundlagen aufbauen und nicht nur Symptome der Untersuchung wert befunden werden, wie das heute der Fall ist.
Die Frage, die der Arzt zu stellen hat, bevor er mit seiner Therapie beginnt, muss lauten: Warum ist der Mensch krank und welches Verhalten beeinträchtigt gerade dieses oder jenes Organ?
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Verwendete Textstellen aus Mediale Schriften, Dr. Karl Nowotny, Band I-VI
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Verwendete Textstellen aus Mediale Schriften, Dr. Karl Nowotny, Band I-IV
I 92.3ff / III 213.5, 215.1 / V 105.2ff / VI 72.4f, 104.4ff
I 92.3ff ist III 92.3ff
III 215.1 ist III 214.2f