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Eine Tatsache aufnehmen, ohne sie durch eigenes Urteil einzureihen in das entsprechende Gebiet, in die Reihe der Wahrheiten und bleibenden Gegebenheiten, ist eine nur vorübergehende Berührung und werden solche Eindrücke nur selten einen bleibenden und nachhaltigen Gedanken erzeugen, so dass bald Vergessenheit die Folge sein wird. Es ist, wie gesagt, ein rein gefühlsmässiges Erfassen.
Menschen, denen die Fähigkeit gegeben ist, die Eindrücke, die auf die Seele erfolgen, rasch auf das geistige Gebiet, auf das Geistwesen zu übertragen, und der Wille, die Eindrücke zu behalten, sind in der Lage, unendliche Reichtümer an Erkenntnissen, an Wissen im Gedächtnis aufzuspeichern.
III 58.4ff
Ich sprach vom Gedächtnis, das die Eindrücke aufnimmt und behält und will nun ein wenig zu erklären suchen, wie sich der materielle Mensch das vorstellen soll.
Das Geistwesen ist es, das die Eindrücke aufnimmt, sie mit Hilfe des Gehirns einordnet und bewertet. Das Geistwesen behält die Gedanken entsprechend seinem Willen und seiner Fähigkeit, sich im materiellen Körper zu betätigen. Ich sprach schon davon, dass es eine Behinderung des Geistwesens bedeutet, wenn zum Beispiel das Gehirn nicht normal entwickelt ist. So wie sich der Mensch im engen Raum nicht frei und ungehindert bewegen kann, so auch das Geistwesen in seinem irdischen Gefängnis.
Die Freiheit der Bewegung ist noch am grössten in den ersten Lebensjahren, da Behinderungen durch eine kranke oder gestörte Seele noch nicht so häufig vorkommen. Daher sind Erlebnisse in den ersten Lebensjahren oft bis ins hohe Alter im Gedächtnis - das Wort ist abgeleitet, und zwar richtig abgeleitet, vom Gedanken - aufbewahrt, während im höheren Alter die Behinderungen sowohl durch Veränderungen im Gehirn als auch durch seelische Schwäche, also abnehmende Lebenskraft, Eindrücke leicht vergessen und viel weniger bleibend auf das Geistwesen übertragen lassen.
Gedächtnisschwäche veranlasst den Arzt zu verschiedenen Untersuchungen und lässt Schlüsse zu auf die Entwicklung sowohl im materiellen als auch im geistigen Bereich.
Es muss hier aber genau getrennt werden, denn es ist keineswegs damit gesagt, dass bei einer Schwächung des organischen Bereichs ein unheilbarer Abstieg - möchte ich sagen - im Geistigen vorliegt.
Durch geeignete Behandlung sowohl der Organe als auch der Psyche kann eine weitgehende Besserung erzielt werden, so dass das Geistwesen allen Anforderungen seines mitgebrachten Programms gerecht werden kann.
Umgekehrt wollen wir aber betrachten, was aus der grossen Kraft des Gedächtnisses im Kindesalter geschlossen werden kann. Das Erinnerungsvermögen oder der Grad der Rückerinnerung, die Zahl der im Gedächtnis behaltenen Eindrücke zeigen uns die dem Kind zuteil gewordene Entwicklungsfreiheit, den Zustand des Milieus, in dem es aufgewachsen ist; die Art der Eindrücke und ihre seelische Verwertung lassen darauf schliessen, ob Herzlichkeit oder Kälte das heranwachsende Wesen umgeben haben.
Es ist natürlich nicht leicht, aus den Erzählungen eines reifen Menschen ein einwandfreies Bild zu gewinnen, da die Erinnerung nicht immer unverfälscht behalten wird, weil das Bestreben, zu beschönigen, interessant und aussergewöhnlich zu erscheinen, die Berichte beeinträchtigen kann.
Tatsache dabei ist aber, dass die Zeit erforscht werden kann, bis zu der zurückliegende Ereignisse behalten werden. Je weiter zurück das Gedächtnis reicht, um so freier und ungehemmter war die Entwicklung. Bei Menschen, die keinerlei Erinnerung an ihre ersten Lebensjahre aufweisen, muss im allgemeinen eine Veränderung oder unvollkommene Entwicklung des Gehirns angenommen werden, da seelische Eindrücke in den ersten Lebensjahren meist unbehindert und frei gegeben sind. Ich will also damit sagen, dass jeder Mensch entsprechend seiner körperlichen Veranlagung ein weit zurückreichendes Gedächtnis hat und wenn dieses fehlt, auch Mängel in der körperlichen Grundlage gegeben sein müssen.
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Verwendete Textstellen aus Mediale Schriften, Dr. Karl Nowotny, Band I-VI
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