III 122.3ff
Das Geltungsbedürfnis gehört hier noch betrachtet, das jedes Individuum in ganz bestimmtem Masse besitzen muss.
Ein Mensch, der nicht den Wunsch hat, sich zu zeigen, sich zu bewähren und seine Existenzberechtigung unter Beweis zu stellen ist ohne Streben, willenlos und unselbständig. Er wird sich treiben lassen, gleichgültig in den Tag hineinleben, als ein Parasit an der Gemeinschaft hängen mit mehr oder weniger Anpassungswillen.
Es gehört zum natürlichen Trieb des Menschen, jedem angeboren und in die Wiege gelegt, dass er den Ehrgeiz hat, in irgendeiner Beziehung, einem Lebensgebiet seinen Mann zu stellen und Leistungen zu vollbringen. Ist er zu geistiger Arbeit nicht prädestiniert und fehlt die Kraft, sich auf diesem Gebiet zu bewähren, dann wird er alle Kraft in körperliche Arbeit umsetzen und nur zufrieden sein, wenn er die Materie sich untertan gemacht hat.
Es muss auf diesem Gebiet der gleiche Grundsatz gelten wie auf allen anderen: Der goldene Mittelweg ist der einzig richtige; Geltung für sich in Anspruch nehmen, wo es berechtigt und mit Bescheidenheit, aber nicht Entsagung danach streben, darum kämpfen, wenn es nötig ist. Der Widerstand, der dem Menschen auf Schritt und Tritt entgegengebracht wird - ich möchte sagen - in jeder Lebenslage, kann nur mit dem rechten Mass an Geltungsdrang besiegt werden. Widerstände und Schwierigkeiten sind dazu da, dass sie gemeistert werden. Der Mensch, der richtig erkennt, dass er sich davon nicht einschüchtern, nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen will, wird sich zur Geltung bringen und das angestrebte Ziel erreichen. Die Achtung vor sich selbst wird ihn dazu zwingen und das einwandfreie Gefühl, wie weit seine Geltungskraft reicht.
Ganz gegen die innere Stimme wird aber in dieser Beziehung sehr oft gefehlt und mehr Kraft investiert, als zur Überwindung eines Widerstandes erforderlich wäre. Ein übertriebener Geltungsdrang lässt über das Ziel hinausschiessen, falscher Ehrgeiz mag zwar seine Befriedigung erfahren, aber Nutzen kann dem Menschen daraus niemals fliessen. Bittere Enttäuschung und Niederlagen sind dann die Folge. Es erübrigt sich, dafür Beispiele anzuführen. Jeder kennt sie entweder aus eigener Erfahrung, wo und wann er zu weit gegangen war oder aus schlechten Vorbildern aller Gesellschaftsschichten.
Es gehört also zu einer guten Lebensauffassung die Fähigkeit, seinen gebührenden Rang im irdischen Dasein zu erkennen. Diese Fähigkeit kann jeder erwerben. Es bedarf nur einer gewissenhaften und ehrlichen Erforschung seiner eigenen Anlagen. Freilich gehört eben dazu eine gesunde Seele, die die Dinge im rechten Licht und unbehindert zu sehen in der Lage ist. Eine behinderte Seele wird unterbewerten und resignieren oder in der Erkenntnis, dass ihr Unterliegen droht, übers Ziel hinausschiessen und ohne geeignete Kontrolle und Überlegung um Geltung kämpfen, wo es gar nicht erforderlich und nützlich wäre. Ich habe in meiner ärztlichen Praxis sehr oft gerade in dieser Hinsicht eingreifen müssen und erst nach lange geübtem Zuspruch und vorsichtiger Einfühlung in den Seelenbereich des Patienten konnte ich dann die Kraft erneuern helfen, die den völlig fehlgeleiteten Gedanken den Weg freigab zum rechten Ziel.
Verzicht auf Geltung kann eine verheerende Wirkung auslösen. Er kann bis zum Verzicht auf die Existenz überhaupt führen und das bedeutet oft Selbstmord.
Es ist nicht gut im Rahmen der gesunden Lebensauffassung, in Extreme sich zu verlieren, aber es kann dadurch die Wichtigkeit eines gesunden Geltungsdranges unterstrichen werden.
Schon im Kind ist er ausgeprägt und viel deutlicher zur Schau getragen als bei Erwachsenen. Man soll den Geltungsdrang des Kindes nicht als einen Mangel oder eine schlechte Charaktereigenschaft betrachten und unterdrücken wollen. Nur in rechte Bahnen lenken und die Folgen von Zielsetzungen, die Enttäuschung bringen können klar vor Augen führen. Die eigene Erfahrung muss das Kind die richtigen Grenzen erkennen lassen, nicht Unterdrückung und Verbot oder strenge Strafen.
Der Erwachsene muss noch viel mehr darauf achten, im Hasten und Jagen des täglichen Lebens sein Recht und seine Pflicht, sich Geltung zu verschaffen in seine Auffassung von seinem Lebensbild einzufügen. Er muss die Fähigkeit erwerben, sich im Rahmen der Gesellschaft und Gemeinschaft selbst von einer höheren Warte aus zu betrachten und in ehrlicher Selbstkritik die Angemessenheit oder Übertreibung oder aber die ungenügende Pflege seiner persönlichen Geltung zu erforschen suchen. Es ist ein Grad der Selbsterziehung, eine mit dem eigenen Ich ins Gericht gehende Beurteilung und nur dann von Erfolg gekrönt, wenn aufrichtig und ohne sich selbst zu belügen zu Werk gegangen wird.
V 127.5f
Jenseitige Wesen nützen oftmals das Geltungsbedürfnis der Menschen aus, geben ihnen ein, auserwählt zu sein und zu Höherem bestimmt, geben Befehle, die undurchführbar sind und beschimpfen oder quälen ihre Opfer, wenn sie nicht auf ihre Forderungen eingehen.
V 129.2ff
Das kann kein irdischer Mensch durchschauen und erfassen, aber er kann solche Gefahren meiden, seine Umgebung nicht fremden Einflüssen aussetzen wollen.
Die Schuld muss aber nicht gerade in der nächsten Umgebung liegen. Die Unsicherheit im Leben, die Furcht vor dem Versagen, aber auch falsches Geltungsbedürfnis und sonstige Schwächen führen zur Suche nach einem Ausweg aus der Sackgasse und da bedarf es oft nur eines zarten Winkes von Freunden und Gleichgesinnten, sich einer Bewegung anzuschliessen, die den Himmel auf Erden verspricht und das Interesse am Aussergewöhnlichen weckt und nährt. Anstatt mit beiden Beinen auf dieser Erde zu bleiben und sein materielles Leben zu meistern, steigert man sich in eine Rolle des Auserwähltseins und verliert den Blick für die Realität.
Östliche Weisheit wird über alles gepriesen, aber auch nicht verstanden und die Abkehr vom normalen Leben als das Erstrebenswerteste und einzig Richtige angesehen. Not und Krankheit sind dann die Folge, Entfremdung im eigenen Land und damit die Suche nach Halt an falschen Göttern.
VI 116.5f
Es gibt Vorfälle, die alle darauf zurückzuführen sind, dass Menschen in guter geistiger Obhut die ihnen gebotenen Grenzen nicht beachten und entgegen jeder vernünftigen Warnung über sich und ihre Umwelt hinauswachsen wollen, um einem falschen Geltungsdrang Genüge zu tun.
Ich sagte, entgegen jeder vernünftigen Warnung. Wohl erkennt auch die Umwelt Übertreibung und Masslosigkeit; ich möchte aber darauf hinweisen, dass ein in guter geistiger Obhut lebender Mensch die Warnung vor Übertreibung und falschem Ehrgeiz in sich fühlt, die gute Überlegung nur konsequent zu befolgen braucht, um falsches Wunschdenken und Geltungsbedürfnis zu besiegen.
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Verwendete Textstellen aus Mediale Schriften, Dr. Karl Nowotny, Band I-VI
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Verwendete Textstellen aus Mediale Schriften, Dr. Karl Nowotny, Band I-VI
III 122.3ff / V 127.5ff / VI 116.5f
V 127.5ff in V 127.5f und V 129.2 aufgeteilt