GEFÜHLE
GEFÜHL UND DER ZUSAMMENHANG MIT DER SEELE
I 36.2f
Während der Geist sich im Willen kundtut, erscheint die Seele im Ausdruck des Gefühlslebens. Gefühl ist nicht nur Sensibilität, sondern Empfindung im allgemeinen. Die Übertragung des Willens geht wie ein elektrischer oder auch magnetischer Strom auf die Seele über, die als Lebenskraft, je nach ihrem Zustand, die Verbindung zu den Organen herstellt. Immer ist es die Seele, die die Rolle der Vermittlerin spielt, und ihr ist es überlassen, ob ein geistiger Befehl ausgeführt wird und wie dies geschieht. Wohl kann ein Mensch ohne Geist seine Organe nicht betätigen, weil die Seele keinen Befehl erhält. Ebensowenig könnte aber ein seelenloser Körper eine Lebensäusserung bekunden, da die verbindende Kraft fehlen würde. Abgesehen davon gibt es eine solche Trennung nicht, weil Geist und Seele untrennbar miteinander verbunden sind.
Wenngleich Seele und Geist untrennbar miteinander verbunden sind, so ist es doch möglich, dass sie in ihrer Entwicklung verschiedene Wege gegangen sind. Ich will sagen, dass ein stark entwickelter Geist nicht immer von einer ebenso oder im gleichen Ausmass entwickelten Seele begleitet oder umgeben ist. Eine solche Divergenz ist sehr häufig und führt zu einseitig entwickelten Menschen. Entweder übermässig sensibel oder gefühllos, wie die Menschen zu sagen pflegen, aber mit hochentwickelten geistigen Fähigkeiten.
III 83.6f
Die Seele ist der Sitz des Gefühlslebens. Es gehört also zu einer gesunden Lebensauffassung, dass das Gefühlsleben harmonisch, das heisst in guter Wechselbeziehung zu Geist und Körper steht. Ein Gefühlsleben, das zu Übertreibungen neigt oder an schönen, erhabenen Dingen keinen Anteil nimmt, das in Extremen sich austobt oder völlig stumpf die Ereignisse des täglichen Lebens an sich vorüberziehen lässt, ist der besonderen Pflege bedürftig und der Erziehung. Allein vom Geistwesen her betrachtet muss der Mangel an Interesse und Liebe zur Musik vor allem behoben werden. Die Schulung der Seele Hand in Hand mit dem Geistwesen kann allein zur Reife der Harmonie führen und die Lebenskraft abgestellt auf ein gesundes Empfinden und ein von Liebe zur Gemeinschaft erfülltes Gefühlsleben schaffen.
Nicht abstrakte Belehrungen sind da die besten Hilfsmittel, ein gutes Vorbild, sei es aufgrund guter Lektüre oder in tatsächlicher Form geboten, bringt allein den Erfolg. Die Aufnahmebereitschaft der Seele, die Kraft, nur gute Einflüsse aufzunehmen und störende abzuweisen muss begründet werden, wenn man überhaupt zu einer gesunden und der Gemeinschaft wahrhaft dienenden Lebensauffassung gelangen will. Der gesündeste Körper, die Ansammlung noch so vielen Wissens hilft nicht einen Schritt weiter, wenn die Seele nicht im Bereich des Gefühls, des liebevollen Empfindens ihren Hauptanteil beiträgt.
I 45.2ff
Heute will ich damit beginnen, zu erklären, wie die Seele behandelt werden kann und muss, damit sie ihren Dienst so versehen kann, wie es für einen gesunden Körper und Geist Voraussetzung ist. Dass der Mensch eine Seele hat, ist nichts Neues, und dass sie der Ausdruck des Gefühlslebens ist, zum Unterschied vom geistigen Bereich, ist auch bekannt. Wir wissen nun aber auch, dass die Seele die Lebenskraft bedeutet, von früheren Wissenschaftlern auf diesem Gebiet auch Od genannt. Es gibt zahlreiche Schriften darüber, die über die Feststellungen sprechen, die man bei spiritistischen Sitzungen aller Art gemacht hat und die von Od sprechen und Ausstrahlung meinen. Viele sind schon so weit gegangen, dass sie es als Lebenskraft bezeichneten, aber niemals hat meines Wissens ein solcher Gelehrter, oder wollen wir sagen Eingeweihter, vom Od als Seele gesprochen, wie wir es aufgefasst wissen wollen.
Für uns ist sie der Sitz des Gefühlslebens und ergibt in Verbindung mit dem Geistwesen den vollkommenen Menschen ohne materiellen Körper im Jenseits und in Verbindung mit dem ma-teriellen Körper auf der irdischen Welt. Mehr als bisher in der medizinischen Wissenschaft und in der Individualpsychologie angenommen wurde, ist sie, über den Sitz des Gefühlslebens hinaus, auch der Motor für alle Lebensäusserungen.
Insofern muss langsam eine Umstellung und Umorientierung eintreten, da diesem Umstand ein grosses Gewicht beigemessen werden muss. Man kann nicht geistige und seelische Verfassung oder Äusserung voneinander trennen. Sie stehen in unmittelbarer Wechselbeziehung zueinander. Wir haben wohl viel von seelischer Hygiene gehört, und es ist ein wichtiges Kapitel in der Pflege des gesamten Lebensbildes, möchte ich sagen. Denn jeder Geist hat seine Vorstellung, sein von vornherein gestecktes Ziel für den Abschnitt seines Daseins auf der Erde. Es scheint zwar so, als ob erst mit der Entwicklung des Körpers im Laufe der Jahre der Mensch sich ein Ziel stecken würde, das er erreichen will oder das ihm von seiner Umgebung bestimmt und aufgezwungen wird. In Wahrheit ist es anders.
II 97.2
Ist ein Mensch imstande, sich die Freiheit des Seelenlebens zu erhalten und kann er seine Gefühle zum Erkennen und Beurteilen uneingeschränkt wirken lassen, dann wird er in der Beurteilung der ihn umgebenden Dinge und Menschen kaum zu einem unrichtigen Urteil gelangen. Das ist aber ein Idealzustand, den kaum ein Mensch im irdischen Dasein erreichen kann. Die Materie, das Milieu, die Zivilisation stören sein Gefühlsleben und drängen ihn von dem ureigenen Weg weit ab.
III 52.5ff
Das eigene Urteil reicht nicht immer zu solchen Überlegungen aus im Geistigen, somit bleibt nur der Eindruck auf die Seele, ohne dass ein konkretes Urteil gefällt wurde. Die Seele nimmt den Eindruck auf und reagiert, wie man sagt, gefühlsmässig mit Zustimmung oder Abneigung.
Der Arzt hört oft von seinen Patienten: „Ich habe diese hässlichen Dinge gesehen und gehört, habe mir aber keine Gedanken darüber gemacht”. Eine Abneigung war aber zu bemerken, und darin liegt die Gefahr für die Seele. Sie empfängt Eindrücke, leitet sie aber aus Mangel an freiem Willen oder aus ihrer Schwäche nicht an das Geistwesen weiter. Die Belastung bleibt, da das klärende und bereinigende Urteil fehlt.
Ein Urteil über einen noch so schweren, belastenden Eindruck kann ihn von der Seele nehmen. Die Vernunft übertönt das Gefühl und schwächt den Einfluss ab. Voraussetzung ist aber dabei eine gesunde Auffassung und ein ungestörter Blick für die Geschehnisse und Ereignisse auf der materiellen Welt, ihren Sinn und Zweck.
Ich sagte zum Beispiel schon einmal, dass der Tod eines geliebten Menschen nicht mehr so herzzerreissende Trauer zur Folge haben würde, wenn die Menschen lernen würden zu erkennen, wozu sie leiden und verzichten müssen. Das ist wohl das krasseste Beispiel, das ich dafür geben kann, aber es finden sich im täglichen Leben so unzählige, dass es gar nicht schwer wird, auch in kleinen Dingen seelische Belastungen durch Vernunft in wenigen Minuten abzuweisen und ungeschehen zu machen.
III 85.2f
Ich will nun beginnen, von Dingen zu sprechen, die im Leben der Menschen zwar sehr von Bedeutung sind, denen aber bisher nicht die gebührende Beachtung geschenkt wurde. Es ist ja eine vielverbreitete Ansicht, dass das Gefühl ein oft hemmender Einfluss im Leben ist, der das reale Denken verdrängt und die Dinge in ein Licht setzt, das dem Erfolg im Leben schädlich ist. Lassen wir ein Beispiel dafür sprechen: Ein Mensch hat seine beruflichen Pflichten auf dem Gebiet der Technik gewählt und ist der Auffassung, dass da ein Gedankengang und das Bewusstsein vom sachlichen Sinn und Zweck ganz unabhängig von gefühlsmässigem Erfassen entwickelt und verfolgt werden muss. Gerade deshalb ist aber soviel Unheil durch den Fortschritt der Technik bewirkt worden, weil die Vertreter dieser in das menschliche Leben tief eingreifenden Wissenschaft sich nicht darüber im klaren gewesen sind - und zum grössten Teil auch noch heute -, dass die Lebenskraft des Menschen nicht nur ein Motor, sondern ein - wie ich sagte -sehr zartes Instrument ist, das mit grösster Zartheit und Rücksicht behandelt und geschont werden muss. Es wäre müssig, die Errungenschaften aufzuzählen, die in solch einseitiger Betrachtungsweise zum Unheil mehr denn zum Heil der Menschheit erfunden und gefördert wurden. Und der Gang dieses Strebens und Jagens ist noch nicht zu Ende und die Einsicht noch nicht so allgemein gereift, dass Technik ohne Gefühl und Rücksicht auf die Erfordernisse eines gesunden Lebens nicht nur wertlos, sondern in höchstem Masse gefährlich ist.
Die Erziehung zum harmonischen Wirken zwischen Geist und Seele muss also heute in der Zeit der Herrschaft der Technik und der damit verbundenen Mechanisierung bei den Menschen einsetzen, denen die Forschung oder Nutzung technischer Werte anvertraut ist.
Technik bedeutet nicht Fortschritt, sondern soll nur ein Mittel zur Förderung des Fortschritts sein.
GEFÜHLSAUSBRUCH
V 155.4ff
Jeder fast, der unter solchen Gefühlsäusserungen leidet und den Wunsch hat, sich selbst unter Kontrolle zu haben und seine Worte und Äusserungen zu beherrschen mit seinem eigenen Willen und Verstand, ist unglücklich darüber, zugeben zu müssen, dass er sich habe gehen lassen und seiner Umgebung das Recht einräumen müssen, ihn deshalb geringzuschätzen oder zu verachten. Es mag im Fall einer aussergewöhnlichen Abweichung von der sogenannten normalen Form berechtigt und das Urteil, dass es sich um einen unbeherrschten Menschen handelt, der seine Mitmenschen geringschätzt, richtig sein. In Wahrheit sind es aber meist ganz natürliche und verständliche Reaktionen, für die es nicht nur eine Rechtfertigung gibt, sondern die für alle Menschen erlaubt und richtig wären, würden sie nicht aus Gründen der besseren Erziehung auf einen ehrlichen Ausdruck ihrer Gefühle verzichten.
Das ist aber oft nicht nur Selbstbeherrschung und anerzogene Haltung, sondern Zurückhaltung aus Berechnung oder Mangel an Mut, die wahre Einstellung zu dem Gesehenen, Gehörten oder Erlebten zu zeigen. Könnten die Menschen das wahre Gesicht sehen, das sich in ihrem Innern widerspiegelt, sie würden vor sich selbst erschrecken. Es ist ein hässliches Gesicht und oft viel hässlicher als das eines in Zornesröte erglühenden, ehrlichen Wüterichs.
Wir können lesen, was im Innersten geschrieben steht und was sich hinter jedem Gesicht verbirgt. Der irdische Mensch ist sehr selten dazu in der Lage und auch meist geneigt, die Ruhe und Gelassenheit, die ein Gesicht ausstrahlt, als den Ausdruck des tatsächlich Empfundenen zu betrachten.
Dass solche Täuschungen sehr gefährlich sein können, oft grosse Verwirrung anrichten und mehr Zwietracht und Missstimmung einbringen als eine ehrliche Ablehnung offen zum Ausdruck gebracht, ist nichts Neues. Es bedarf aber der Schulung und Schärfung des Blickes, um wahr und falsch voneinander zu unterscheiden. Der grade Michl macht es einem leicht; er lässt sich durchschauen, verschenkt nicht übertriebene Freundlichkeit an Menschen, die ihm nicht konvenieren und erfreut sich meist grösserer Sympathie als die höflichsten und anscheinend gütigsten Menschen der Welt.
GEFÜHL UND VERSTAND
II 93.2f
Der Anfang des Lebensweges ist also nicht dem Neugeborenen selbst, sondern in überwiegendem Masse den Eltern und der Umgebung anheimgestellt. Erst mit zunehmender geistiger Reife, womit ich nicht die Reife des Geistwesens meine, das schon in einer ganz bestimmten Entwicklung im Menschen ruht, sondern ich meine die Reife des Denkens, die mit der Entwicklung des Gehirns zusammenhängt, die eigene Urteilskraft nicht nur nach dem Gefühl, wie dies im frühen Kindesalter zutrifft, sondern mit Verstand und Vernunft, die sich erst im Laufe der Zeit zu der im Innersten ruhenden Grösse entwickeln.
Das ist so zu verstehen, dass der Verstand, das Wissen und vielleicht auch schon die Weisheit mit dem Geistwesen inkarniert werden, dass sie aber erst nach Entwicklung und nur nach gesunder Entwicklung der Organe, also in diesem Fall vor allem des Gehirns zum Ausdruck und für die Umwelt zur Erkennung kommen können.
IV 92.3f
Betrachten wir aber vorerst die Fälle, die sich rein in seelischen Störungen, in Depressionen und Verwirrungen zeigen, worunter ich nicht Irresein im Sinne der Psychiatrie meine. Verwirrung stiftet ein plötzlich auftretendes Ereignis, das so ungewöhnlich ist nach irdischem Massstab, dass das Gemüt aus dem Gleichgewicht gebracht wird.
Die Seele, das Gefühl ist stärker als der Verstand, und das Unvermögen, eine geeignete Erklärung zu finden, lässt für klare Überlegungen keinen Raum.
V 119.2
Sehr häufig ist die Ursache für eine geistige Störung im Gefühl verankert, das dominierend das verstandesmässige Erfassen einer Situation verhindert. Negative Gefühle, Gefühle der Unsicherheit und mangelndes Selbstvertrauen lassen den Wunsch nach einer Hilfe aufkommen, die der eigenen Verantwortung und eigenen Entscheidung enthebt.
V 138.6ff
Darum wird man immer wieder feststellen können, dass vor allem Menschen, die eine Ausgeglichenheit zwischen Seele und Geist, zwischen Gefühl und Verstand besitzen, auch körperlich gesünder und leistungsfähiger sind als andere.
Nicht erst dann soll man bemüht sein, die Menschen zu solcher Ausgewogenheit zu bringen, wenn sie schon in irgendeiner Weise versagt haben, sondern von Kindesbeinen an soll der Weg dazu gesucht und gewiesen werden.
Mancherlei Praktiken sind schon mit mehr oder weniger Erfolg erprobt worden; die meisten aber haben vielmehr die Abkehr vom normalen Leben und seinen Pflichten zum Ziel und sind dazu angetan, entweder die Kultur des Körpers in den Vordergrund zu stellen oder aber ein für normale und allgemein vertretbare Begriffe zu hohes Ziel erstrebenswert erscheinen zu lassen.
VI 66.2
Der Verstand ist nicht Gewähr für richtiges Denken, wenn die Ausgeglichenheit zum Gefühl nicht gefunden ist. Ich sagte schon einmal, dass ein Zuviel an Gefühl den Verstand behindern kann, sodass es zu Fehlentscheidungen und Unsicherheit im Verhalten den geistigen Kräften gegenüber kommen kann. Ich will damit sagen, dass ganz unbewusst Kräfte angezogen oder auch im positiven Sinn genutzt werden, je nach der Intensität der Divergenz.
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Verwendete Textstellen aus Mediale Schriften, Dr. Karl Nowotny, Band I-VI
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Verwendete Textstellen aus Mediale Schriften, Dr. Karl Nowotny, Band I-VI
I 36.2f, 45.2ff / II 93.2f, 97.2 / III 52.5ff, 83.6f, 85.2f / IV 92.3f / V 155.4ff, 119.2, 138.6ff / VI 66.2