ANAMNESE
I 30.3
Ich spreche hier nur von den Krankheiten, die durch die kranke Seele und die dadurch hervorgerufenen Störungen im Organismus verursacht werden. Und derer gibt es eine grosse Zahl.
Der Arzt muss vor allem lernen, die Ursachen einer Erkrankung genau festzustellen und nach Ausschaltung aller äusseren Möglichkeiten die seelischen Störungen zu ergründen suchen. Das ist natürlich nicht so einfach, wie dies gesagt wird. Dazu bedarf es einer tiefen Einsicht in die gesamte Lebensweise des Patienten. Zu leicht lässt sich der Arzt von dem beeinflussen, was der Patient ihm erzählt; es ist selten die Wahrheit. Was der Patient spricht, ist aber gar nicht so wichtig, sondern was er tut oder getan hat. Dazu bedarf es eines offenen Blickes für die ihn umgebenden Verhältnisse.
VI 47.4ff
Die Aufgabe der Helfer ist es daher, durch die mehr oder weniger ehrlichen und richtigen Darlegungen der Wahrheit näher zu kommen und nur das Wesentliche, das für die richtige Betreuung Wesentliche zu behalten.
Die menschlichen Regungen sind von so vielen Komponenten geprägt und oft dem gesprochenen Wort so entgegengesetzt, dass es grossen Einfühlungsvermögens bedarf, um die Wahrheit zu ergründen.
Dazu kommt, dass geistig Gestörte oft nicht in der Lage sind zu unterscheiden zwischen eigenen und ihnen von fremden Kräften eingegebenen Gedanken.
Es ist daher oberstes Gesetz für die Helfer, keinen Menschen zu verurteilen, ihm Eigenschaften und Fehlverhalten als persönliches Vergehen anzulasten.
Ein Verhalten, das den üblichen Gepflogenheiten und Normen widerspricht, muss zur Kenntnis genommen, auf seine Bedeutung für den Betroffenen geprüft und das Verhältnis zu seinem vermutbaren Wesen festgestellt werden.
Mancher Mensch hat ihm selbst liebgewordene Gewohnheiten, die bei anderen Widerspruch erregen und keine Anerkennung finden. Sie sind unbeachtlich, wenn sie nicht zu einer Sucht ausarten und der Gesundheit Schaden zufügen.
I 32.4
Ich möchte hier nicht in Einzelheiten abschweifen, sondern bei dem Hauptthema bleiben. Wenn also ein Mensch nach den Ursachen einer seelischen Erkrankung untersucht werden soll, so muss der Arzt sich ein genaues Bild von dem Leben des Patienten machen, und zwar so, dass es keinen Irrtum geben kann, dass nicht durch falsche Schlussfolgerungen ein ganz anderer Charakter entsteht, als er tatsächlich ist.
Der Arzt muss auf dem Gebiet der Menschenkenntnis sehr gut ausgebildet sein. Freilich ist bisher der Blick oder das Sehfeld des Arztes sehr begrenzt, weil er nur bis zum Zeitpunkt der Geburt zurückschauen kann. Wenn einmal der Verkehr mit der Geisterwelt zur wissenschaftlichen Forschung gehören wird, dann werden wir Ärzte hier im Jenseits, so wie wir jetzt insgeheim Hilfe leisten, offen den Ärzten auf der Erde zu Diensten sein können. Dann kann eine ernsthafte Befragung manchen Fehler in der Behandlung vermeiden helfen und eine Fehldiagnose vollkommen ausgeschaltet werden. Vorläufig aber muss sich der Arzt und insbesondere der Nervenarzt und Psychiater damit begnügen, sich ein möglichst genaues Bild vom Seelenleben und seinen krankhaften Erscheinungen zu machen und mit einer vorsichtigen Behandlung nach Erkundung der Ursachen und Stellung einer einwandfreien Diagnose versuchen, die Mängel zu beheben.
I 91.2
Darum muss man davon ausgehen, dass jede Krankheit ihren Hauptsitz in der Seele hat. Der Arzt muss fragen: Wodurch und in welcher Weise wurde die Seele überbelastet und geschwächt, dass ein Organschaden entstehen konnte? Freilich nicht bei Schäden, die rein durch mechanische Einwirkungen erfolgen. Es muss dazu gesagt werden, dass es nicht leicht ist, dies immer festzustellen, da es der Patient in den meisten Fällen selbst nicht weiss. Der Arzt muss daher über die Lebensweise des Patienten genaue Informationen einholen und zu ergründen suchen, welcher Art die Störungen der Seele sind, bevor er an eine geeignete Behandlung denken kann.
VI 33.5
Dazu gewährt ein Rückblick auf die der Erkrankung vorausgegangene Entwicklung des Menschen bis in seine frühe Kindheit Einsicht in die seelisch-geistige Reife, soweit wir mit gutem Gewissen ein Urteil darüber abgeben können und dürfen.
VI 38.3
Wir müssen bemüht sein, in die Tiefe der Psyche Eingang zu finden und zu ergründen versuchen, weshalb und warum der Mensch sich negativen Kräften öffnet oder nicht die Kraft hat oder nur glaubt, sie nicht zu besitzen, um sich gegen ungewollte Einflüsse zur Wehr zu setzen.
I 91.5
Arzt sein heisst nicht, wie ein Handwerker die Funktionen der Organe prüfen; dazu ist man bald in der Lage. Das Wissen darum, dass die Seele an jeder Krankheit weitgehend oder überwiegend beteiligt ist, zwingt zu einer ganz anderen Betrachtungsweise.
I 92.1ff
Ich will nun versuchen, klarzumachen, wie der Arzt vorgehen muss, um das richtige Bild vom Patienten und seinem Verhalten zu erhalten. Die Regeln für die Untersuchung sind ungefähr folgende: erst wird körperlich festgestellt, wo die Schädigung auftritt; dabei muss sorgfältig vorgegangen werden, denn wie wir wissen können zum Beispiel Kopfschmerzen die Ursache fast in allen Körperteilen haben. Sie sind nur Symptome und nicht die Krankheit selbst. Das im ganzen Körper verzweigte Nervensystem bringt jede Empfindung ins Gehirn, und ich sage damit nichts Neues, denn das ist der medizinischen Wissenschaft längst bekannt. Dadurch hat der Arzt mehr oder weniger die Möglichkeit, den Herd der Krankheit oder das kranke Organ herauszufinden.
Gleichzeitig aber muss die psychische Auswirkung beobachtet werden, nicht nur in bezug auf die Schmerzempfindlichkeit, sondern über den psychischen Zustand vor dem vermeintlichen Beginn der Erkrankung muss Nachforschung angestellt werden.
Oft erzählen Patienten von selbst, was in der Zeit, bevor sie die Schmerzen oder Beschwerden bekamen, alles auf sie noch dazu eingestürmt war, was sie an Anstrengung nicht hatten vermeiden können oder welche grosse Aufregungen und Überbelastungen sie für die nächste Zeit zu erwarten hätten. Nicht in einem einzigen Gespräch lässt sich daraus die Ursache genau erkennen, denn dem einen wäre die grosse Anstrengung, die er zu erwarten hätte, eine Freude gewesen, der andere hatte Furcht davor und flüchtete geradezu in die Krankheit.
I 132.3
In diesem Zusammenhang will ich noch darauf hinweisen, dass es für den Arzt eine wichtige Komponente in der Behandlung eines Patienten bedeutet, welche Einstellung zur Musik besteht. Menschen, die überhaupt keine Beziehung zur Musik haben, obwohl sie Gelegenheit hätten, sich ihr zu widmen und sie zu geniessen, werden kaum in grosser Harmonie mit ihrer Umwelt leben. Ihr Gefühlsleben wird fremd und kalt sein und die Umgebung wird sich nicht angezogen fühlen, mag der Mensch sich noch solche Mühe geben, einen guten Eindruck zu machen.
III 42.2
Ich habe schon an anderer Stelle erwähnt, dass der Patient selten die Wahrheit sagt. Diese Feststellung darf nicht unrichtig aufgefasst werden. Es ist nicht damit gesagt, dass der Patient immer die Absicht hat, den Arzt zu belügen, nein, er kennt sich selbst nicht: seine unrichtige Einstellung zum Leben lässt ihn die Dinge falsch betrachten. Es ist zwar seine Meinung, aber er irrt oder hat das Bestreben, die Wahrheit in seinem Inneren nicht aufkommen zu lassen. Häufig allerdings ist der Patient bestrebt, seinem Arzt ein schönes Bild von sich zu geben, einen möglichst guten Eindruck zu hinterlassen, um sich - wie er meint - seine Gunst zu erwerben und in gutem Ansehen zu stehen. Nur verhältnismässig selten öffnet der Patient von selbst sein Innerstes offen und rückhaltslos.
V 68.3ff
Vor allem darf nicht alles, was der Patient verrät oder behauptet, als richtig angenommen werden. Manche Aussage wird schon von vornherein als nicht von ihm stammend erkannt werden, sodass auf die Mentalität des Störenden geschlossen werden muss.
Erst wenn die Bereitwilligkeit des Patienten, sich zu öffnen und mit dem Arzt oder Psychologen die Belastung zu bekämpfen, angenommen werden kann, dann ist der Kampf gegen die störenden Einflüsse erfolgversprechend.
Es ist nämlich zu bedenken, dass durch die Auffassung der Schulmedizin von der Spaltung des Bewusstseins der Patient, der von einem über seinem Niveau stehenden Wesen behindert wird, gar nicht einsieht, weshalb er ein solches „Zweites Ich“ abweisen oder bekämpfen soll.
Hierher zählen alle Erscheinungen von sogenannten Auserwählten, Berufenen - ohne zu wissen, zu welchen Leistungen - und von religiösem Wahn Befallenen.
III 42.3f
Der Arzt muss auch untersuchen, ob die Mitteilungen des Patienten nicht im negativen Sinn übertreiben und so ein viel schlechteres Bild ergeben, als er es verdient. Wie gesagt, ein Kapitel für den Arzt, das vor allem gründliche Selbsterziehung erfordert und - wie ich schon erwähnt habe - den Stand auf hoher oder doch höherer Warte, damit er imstande ist, das richtige Urteil über die Verhaltensweisen des Patienten zu bilden. Ich will nun davon sprechen, wie es zu beginnen ist, wenn es gilt, zu solchen Problemen Stellung zu nehmen. Der Arzt, vorausgesetzt er ist ein höher entwickelter Geist, wird sich von dem Patienten viel erzählen lassen. Er wird seine Lebensweise studieren, die Zu- und Abneigung zu den verschiedenen geistigen Betätigungen ergründen und dann zu erkennen suchen, auf welchem solchen Gebiet der Patient grössere oder besondere Fähigkeiten besitzt. Da ist dann der Ausgangspunkt für eine gute Behandlung gefunden. Der Patient wird Freude empfinden, zu erkennen, dass wertvolle Regungen seine Seele berühren: Es wird von selbst die Ablenkung von den ihn bedrückenden Gedanken betreffend die körperliche Unvollkommenheit erreicht sein.
III 43.2
Nicht stehenbleiben darf der Arzt dabei, nicht nur diese Seite der geistigen Grundlagen betrachten, auf denen begonnen wurde, sondern im Rahmen einer gesunden Lebensauffassung diese Fähigkeiten entsprechend zu verwerten und für die Gemeinschaft wertvoll auszubauen suchen.
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Verwendete Textstellen aus Mediale Schriften, Dr. Karl Nowotny, Band I-VI
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I 32.3 nicht gefunden dafür I 32.4
I 32.4 und I 33.1f ist I 32.4ff
I 132.3 statt I 132.2
III 42.2f ist III 42.2 und 42.4f